Macht in der Führung: ein Tabu?

18. Juni 2019

Am vergangenen Montagabend (17. Juni 2019) durfte ich als Gast am 43. #LeaderCircle der #SwissLeaders (SKO) zum Thema «Die neuen Regeln der Macht» teilnehmen. Ein faszinierender Anlass mit illustrem Podium und vielen interessanten Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Einleitend zeigte Jürg Eggenberger ein Interview mit Peter Kruse, in welchem dieser in gewohnt eloquenter Weise die veränderten Rahmenbedingungen für Führung darlegte. Peter Kruse ortete bereits 2015 in der Globalisierung und in der zunehmenden Vernetzung über soziale Medien die Treiber der Veränderungen hin zu immer komplexeren sozialen Systemen.

Derart komplexe, nichtlineare Systeme zeigen oftmals ein chaotisches Verhalten fern von transparenter Kausalität. Die Führung in solchen Systemen sieht sich alsbald gefangen in der Komplexitätsfalle: Mangels Kausalität verliert das Argumentieren gestützt auf frühere Erfahrungen wie auch das simple Verweisen auf «best practices» seine Überzeugungskraft. Verliert die Führung vielleicht deshalb ihre Macht?

Aus verschiedenen Gesprächen an den Stehtischen dieses #LeaderCircle war zu entnehmen, dass Führung sich heute viel mehr auf das Befähigen der Mitarbeitenden ausrichten würde, dass Führungskräfte sich zunehmend als persönliche Coaches ihrer Mitarbeitenden sähen zur Entfaltung von deren Potenzial und Können. Und dass Vorgesetzte doch primär die Steine aus dem Weg der Mitarbeitenden zu räumen hätten. Aber benötigen Führungskräfte dazu Macht? Wer benötigt Macht? Und wozu?

Peter Kruse verwies im gezeigten Interview auf die Machtverschiebung weg vom Anbieter hin zum Nachfrager. Eben genau so, wie sich die Märkte in den letzten Jahrzehnten weg von Angebots- hin zu Nachfragemärkten entwickelt haben. Gastreferent Hermann Arnold forderte auf, ein neues Verständnis von Führung und damit einen bewussteren Umgang mit Macht zu entwickeln. Ein neues Führungsverständnis muss Antworten geben auf die Frage nach der Legitimierung der Vorgesetzten; Kann diese Legitimierung auch im postindustriellen Zeitalter noch von der Position in der hierarchischen Struktur abgeleitet werden? Bleibt die Macht in den Händen der «von oben gewählten» Vorgesetzten auch zwecks Bewahren eben dieser Hierarchie? Zugegeben, so lassen sich die Pfründe der hierarchisch definierten Vorteile (Gehälter und Boni, der persönliche Parkplatz vor der Türe etc.) wohl besser langfristig sichern als beispielsweise durch eine Umverteilung der Macht. Eine breitere Verteilung der zahlreichen Führungsaufgaben auf Mitarbeitende nach Kriterien wie beispielsweise Können und Wollen oder auch nach Kapazität droht zum Machtverlust «dort oben» zu mutieren. Aber wie war das eben mit dem Coachen der Mitarbeitenden zur Entfaltung von deren Können? Damit sie das tun können, was sie gut können und auch gerne tun wollen zugunsten der Firma? Warum sollten nicht auch Führungsaufgaben verteilt werden auf diese Mitarbeitenden?

Von Frau Oberst Marlis Jacot-Guillarmod haben möglicherweise einige Gäste des #LeaderCircle ein Votum für formale Autorität und Hierarchie als Elemente erfolgreicher Führung erwartet. Sie wurden aber enttäuscht, denn Frau Oberst illustrierte die Relevanz persönlicher Beziehungen und eigener Netzwerke selbst im militärischen Bereich.

Die Podiumsgäste Carolina Müller-Möhl und Nicola Forster thematisierten die Kraft sozialer Netzwerke durchaus im positiven Sinne – aber auch deren besonders heikle Anfälligkeit auf verdeckte Manipulation der Bevölkerung. So verwies Carolina Müller-Möhl auf den bemerkenswerten TED-Talk von Carole Cadwalladr über die gezielte Manipulation der Bevölkerung vor der Brexit-Abstimmung: die Mächtigen agierten im Dunkeln der Anonymität.

Mein persönliches Fazit

Die Führung scheint erschüttert, weil sie unter dem Druck der sich verändernden Rahmenbedingungen unterwegs in die VUCA-Welt ihr heutiges Tabu- und zugleich Hauptinstrument, nämliche ihre Macht bewusst neu ausgestalten, vielleicht demokratischer legitimieren oder zumindest transparent und nach verschiedenen Kriterien geschickt umverteilen muss.

Dass die Führung sich damit scheinbar der eigenen Legitimation und Existenzgrundlage beraubt, das macht das Vorgehen für viele zum Tabu. Es erstaunt daher kaum, dass bei Anlässen wie dem #LeaderCircle die Macht primär im Veranstaltungstitel stehen bleibt. Aus meiner Sicht ist es aber höchste Zeit, die eigenen Handlungs- und Führungsgrundsätze im Lichte der digitalen Transformation zu reflektieren und das persönliche Führungsmodell zu renovieren.

Sie möchten dabei Unterstützung? Gerne!

Ihr Führungscoach

Dieter Spahni

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