Welcher Wandel treibt die Führung?

25. August 2020

Ein Blog-Beitrag zum Thema
«Führung im Wandel»

Informations- und Kommunikationstechnologien durchdringen unsere Gesellschaft und intensivieren die Vernetzung aller Aspekte unseres Zusammenlebens. Die tiefgreifende Digitalisierung der Arbeit, der rasante Technologiewandel und eine rasch zunehmende Komplexität gelten als wesentliche Merkmale unserer zusehends globalen Informationsgesellschaft. Alles ist mit allem irgendwie verknüpft, nichts ist mehr unabhängig. Simple Rezepte versagen oft beim Lösen heutiger Probleme, denn einfache Zusammenhänge von Ursache und Wirkung tauchen in der Undurchschaubarkeit der Komplexität unter.

Unternehmen sind gefordert, diesen Wandel von der Industrie- in die Informationsgesellschaft nicht bloss zu meistern, sondern diesen aktiv zu gestalten. Im Zentrum steht neben einem tiefgreifenden Wertewandel die Entwicklung einer ausgeprägten Anpassungsfähigkeit und einer für das Unternehmen geeigneten Form der Selbstorganisation.

Die Führung ist gefordert unter dem Druck dieser Veränderungen ihre Macht bewusst neu auszugestalten, sie vielleicht demokratischer zu legitimieren oder sie zumindest transparent und nach geeigneten Kriterien geschickt umzuverteilen.

Dieser fundamentale Wandel kann auch im Industriekonzern vor dem Hintergrund einer bestehenden, formal definierten und langjährig etablierten Linienorganisation stattfinden.

Megatrends

In diesem Blog-Beitrag wird aufgezeigt, auf welche Megatrends sich Unternehmen einstellen müssen. Daraus kann abgeleitet werden, in welche Richtung sich demnach die Unternehmensführung zu entwickeln hat, wenn sie die Unternehmung fit für die Ära dieser Trends machen will.

Das Zukunftsinstitut stellt ein Trendmodell mit zwölf Megatrends als langfristige Treiber des Wandels zur Verfügung. Diese Megatrends «sind die größten Treiber des Wandels, die alle Aspekte von Wirtschaft und Gesellschaft maßgeblich beeinflussen – nicht nur kurzfristig, sondern auf mittlere bis lange Sicht. Sie entfalten ihre Dynamik über Jahrzehnte. Megatrends sind nie linear und eindimensional, sondern vielfältig, komplex und vernetzt. Sie wirken nicht isoliert, sondern beeinflussen sich gegenseitig und verstärken sich so in ihrer Wirkung» (Zitat aus Die Megatrend-Map).

Die Megatrend-Map des ZukunftsInstituts

Die Unternehmensführung sollte die langfristige Entwicklung dieser Megatrends und die daraus auf sie einwirkenden Kräfte des Wandels erkennen, sie analysieren und sich selbst möglichst proaktiv auf den so prognostizierten Wandel einstellen.

Trotzdem können – und das hat der staatlich verordnete Lockdown während der Corona-Pandemie so eindrücklich aufgezeigt – urplötzlich veränderte Rahmenbedingungen ganz neue Handlungsmuster erforderlich machen: Oder waren in deinem Betrieb alle Mitarbeitenden aus dem Stand heraus in der Lage, ihren Arbeitsort erfolgreich und für längere Zeit ins HomeOffice zu verlegen?

Begründen diese Megatrends die Forderung nach Abbau hierarchischer Strukturen? Die folgenden Überlegungen basierend auf den Megatrends und den dahinterliegenden Subtrends. Mit (Subtrend) wird nachfolgend auf die Beschreibung jener Subtrends verwiesen, welche die jeweilige Aussage besonders unterstützen:

  • Die zunehmende Vernetzung von Unternehmen und Branchen lässt ihre äusseren Grenzen langsam verschwimmen und ökonomische Netzwerke verbinden auch innerbetrieblich Stellen ohne Berücksichtigung des Organigramms, funktionieren zunehmend selbstorganisiert, möglicherweise zeitlich begrenzt und binden ad hoc mehr oder weniger Stellen locker ein (Business Ecosystems, siehe dazu auch [1]).
  • Zentrale Steuerungs- oder Kontrollinstanzen verlieren dabei an Bedeutung, denn diese ökonomischen Netzwerke funktionieren ohne sie, selbstorganisiert oder gar autonom und trotzdem sicher (Blockchain).
  • Der offene und zusehends freie Zugang zu Informationen (Open Knowledge) erlaubt neue Formen der Zusammenarbeit über die Grenzen der Organisation hinweg. Traditionell interne Unternehmensaufgaben bis hin zur Entscheidungsfindung können so an Gruppen ausgelagert werden (Crowdsourcing) und fördern neue Formen der Zusammenarbeit (Wir-Kultur, Kollaboration).
  • Diese struktur-reduzierenden Subtrends werden verstärkt durch Subtrends zur zeitlichen Begrenzung der Zusammenarbeit (Kollaboration) bis hin zu situativen, auf Kurzfristigkeit fussenden Wirtschaftsformen (Gig Economy).
  • Auch Subtrends, die den permanenten Wandel unterstreichen (Lifelong Learning, Permanent Beta) oder Bindungen lockern (Sharing Economy) fördern letztlich die Abkehr von Strukturen, die auf Dauerhaftigkeit ausgerichtet sind.

Veränderte Werte und Normen, neue Formen und kürzere Dauer der gelockerten Zusammenarbeit mit weniger zentraler Steuerung und Kontrolle bringt zunehmend selbstorganisierte Netzwerke mit offenem Informationsaustausch hervor.

Führungskräfte müssen also nicht nur innerhalb der ihnen unterstellten Organisationseinheit führen, sondern zunehmend Netzwerke über deren Grenze hinweg bilden und etablieren. Sie müssen ihre Mitarbeitenden befähigen, in solchen Netzwerken wirksam zu werden. Daraus ergeben sich nicht nur zahlreiche Herausforderungen an Führungskräfte, sondern auch wesentliche Konfliktpotenziale unter Führungskräften.

Die vorgestellten Megatrends liefern keine stringente Begründung für den oftmals geforderten Abbau hierarchischer Strukturen. Ihre Auswirkungen lassen jedoch einen Wandel erkennen, der Unternehmen hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeiten abverlangt. Hierarchien passen heute nicht mehr zum Umgang mit Wissen als zunehmender Machtfaktor und noch weniger ins Zeitalter durchgehend digitalisierter Prozesse. Deshalb geraten rein hierarchische Aufbauorganisation unter Druck.


[1] Bereits 1999 wurde dieser Strukturwandel als Treiber der vernetzten Gesellschaft thematisiert, siehe Stanley M. Davis, Stan Davis, Christopher Meyer: «Blur: The Speed of Change in the Connected Economy», ISBN 978-0-446-67533-8

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